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Buchtipp: Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert

Wer auf der Suche nach einem Buch ist, dass die Funktionsweise und Grenzen von heutiger künstlicher Intelligenz (KI) anschaulich darstellt, der sollte einen Blick in das unterhaltsame Buch von Janelle Shane werfen. Die zahlreichen Beispiele haben mir sofort dabei geholfen, die Möglichkeiten von KI und maschinellem Lernen im Gespräch mit Kunden und Kollegen anschaulich zu beschreiben. Zumal man kein Programmierer sein muss, um sie zu verstehen.

Das Lesen des Buches war teils unterhaltsam, teils aber auch zäh. Die Beispiele ähneln sich doch oft und zumindest ich hätte mir an der einen oder anderen Stelle dann ein wenig mehr Tiefgang gewünscht. Das eine eher technische Kapitel zu den unterschiedlichen KI-Arten bietet hier leider auch nur einen sehr groben Überblick.

Der Übersetzer hat hervorragende Arbeit geleistet, was das Eindeutschen der Beispiele angeht und dort sogar sprachliche und kulturelle Eigenheiten erklärt. Doch der Lesefluss gefiel mir persönlich im englischen Original besser.

Alles in allem haben mir die vielen Beispiele im Buch gut gefallen und mir noch einmal auf anschauliche Art und Weise die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz ins Bewusstsein gerufen. Genau das verspricht das Buch und dieses Versprechen hält es auch ein. Dabei räumt die Autorin glücklicherweise mit den teils kruden Vorstellungen von KI auf und macht das Buch so zum Geschenktipp für Kunden und Kollegen mit unrealistischen Vorstellungen rund um KI. Wer jedoch mehr zur Funktionsweise von KI erfahren möchte, der wird vermutlich eher enttäuscht werden.

Wer sich vor dem Kauf einen Eindruck von den Inhalten machen möchte, der kann auch die hervorragende Website der Autorin Janelle Shane unter https://www.aiweirdness.com/ besuchen. Dort gibt es viele weitere anschauliche Praxisbeispiele rund um KI und maschinelles Lernen…

„Künstliche Intelligenz – Wie sie funktioniert und wann sie scheitert“
Autor: Janelle Shane
Preis: ca. Euro 23,-
ISBN: 3960091605
Erscheinungsdatum: O’Reilly, 1. Juli 2021
Link:  Amazon

Heuristiken für Sprach-Assistenten und Chatbots neu aufgegriffen 2/10

Im ersten Teil der Serie über das Gelingen von Conversational AIs – also von Benutzungsschnittstellen auf Basis von Sprach-Assistenten und Chatbots – haben wir uns mit der ersten Heuristik „Sichtbarkeit des Systemstatus“ der Nielsen Heuristiken beschäftigt. Im zweiten Teil geht es nun um die Bedeutung der Heuristik „Übereinstimmung zwischen System und Wirklichkeit (Match between system and the real world)“ für Conversational AIs.

Übereinstimmung zwischen System und Wirklichkeit

Konversation in textbasierter Form oder als gesprochene Sprache suggeriert dem Nutzer Natürlichkeit. Gerade deshalb muss eine Conversational AI die Sprache des Benutzers sprechen, in einer Form, mit der der Benutzer vertraut ist und nicht mit ungewöhnlichen Begriffen und Satzkonstruktionen. Sprich: Verwenden Sie ein einfaches bzw. der Zielgruppe angepasstes Vokabular und vermeiden Sie systemorientierte und technische Begriffe. Auch erscheinen ein hoher Detailgrad und viele Feinheiten schnell formell und distanziert. Eine schlichte und einfache Sprache ist für Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zugänglicher.

Dies beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Ausgabe, sondern umfasst auch die Eingabe. Benutzer sprechen mit einer Vielzahl von Dialekten und Akzenten. Deshalb sollte unbedingt mit verschiedenen Akzenten getestet werden. Dies umfasst bei textbasierten Systemen auch den Umgang mit gängigen Rechtschreib- und Tippfehlern. Die richtige Auswahl von Schlüsselwörtern und Synonymen stellt sicher, dass Befehle korrekt interpretiert werden (es gibt beispielsweise mehr als hundert Synonyme und Phrasen für Regen im Englischen). Nutzer formulieren ihre Absichten (Intents) in einer Konversation sehr unterschiedlich: Manche bevorzugen Befehlssätze („Bring mir ein Bier“), andere Fragesätze („Kannst du mir ein Bier bringen“) und wieder andere Appellsätze („Jetzt ein Bier wäre schön“). Und das sind nur einige Aussagen (Utterances) mit denen ein Bot trainiert werden muss. Nur so können die Benutzer bequem mit der Sprachschnittstelle interagieren.

Informationen sollten außerdem in natürlicher und logischer Reihenfolge erfragt bzw. dargestellt werden (z. B. Startzeit vor Endzeit). Dies kann aber im Einzelfall je nach Nutzer gerade auch bei der Eingabe variieren und muss dementsprechend flexibel gehandhabt werden: Gibt der Nutzer z. B. erst die Farbe oder zuerst die Größe an? Bei der Datenerfassung sollten auch bekannte Aspekte nicht erneut erfragt, sondern aus dem Kontext, dem Nutzerprofil und anderen verfügbaren Datenquelle erschlossen werden. Und so wie in der natürlichen Konversation die Sender sich in Wort und Schrift auf vielfältige Weise an den jeweiligen Empfänger anpassen, sollte dies auch ein Sprachassistent oder Chatbot machen. Zum Beispiel kann die Detailstufe durch Anpassung an den Wissensstand variiert werden. Außerdem sollte der Konversationsfluss nicht zwingend einen Pfad vorgeben, sondern sich am Benutzer orientieren.

Variiere Sie Inhalte so wie es eine Person tun würde. Bestätigungen sollten zum Beispiel nicht immer gleich, sondern mit einer Vielzahl an Alternativen wie „Ja“, „Okay“, „Klar“, „Roger“, „Oki Doki“, „Sicher“ usw. erfolgen. Denn anders als bei einem visuellen Design für die Augen wirken solche festen Muster für die Ohren schnell langweilig, ermüdend und unnatürlich.

Bedenken Sie außerdem, dass sich Sprachassistenten und textbasierte Chatbots durchaus unterscheiden. Ein Satz kann geschrieben gut wirken, für die gesprochene Unterhaltung möglicherweise aber ungeeignet sein.

Heuristiken für Sprach-Assistenten und Chatbots neu aufgegriffen 1/10

Seit Jahrzehnten werden unterschiedlichste Prinzipien und Heuristiken für das Gelingen vom Benutzungsschnittstellen propagiert. Zu den bekanntesten zählen die „10 Usability Heuristics for User Interface Design“ von Jakob Nielsen:

  • Sichtbarkeit des Systemstatus (Visibility of system status)
  • Übereinstimmung zwischen System und Wirklichkeit (Match between system and the real world)
  • Nutzerkontrolle und -freiheit (User control and freedom)
  • Konsistenz und Standards (Consistency and standards)
  • Fehlervermeidung/Fehlervorbeugung (Error prevention)
  • Erkennen statt Erinnern (Recognition rather than recall)
  • Flexibilität und Effizienz (Flexibility and efficiency of use)
  • Ästhetisches und minimalistisches Design (Aesthetic and minimalist design)
  • Anwendern helfen, Fehler zu erkennen, zu beurteilen und zu beheben (Help users recognize, diagnose, and recover from errors)
  • Hilfe und Dokumentation (Help and documentation)

Doch sind diese Faustregeln von 1995 auch heute, nach mehr als 20 Jahre, noch gültig? Insbesondere im Zusammenhang mit zunehmend natürlichen Interaktionsformen wie Konversations KIs (Conversational AIs).

Dieser Blogpost widmet sich zu Beginn dem ersten Punkt. Anregungen sind natürlich sehr willkommen…

Sichtbarkeit des Systems

Auch für Konversations KIs gilt: Das System informiert den Nutzer immer darüber, was gerade passiert – rechtzeitig und durch angemessene Rückmeldung.

Sprach-Assistenten und Chatbots sollten immer kommunizieren, was sie wissen und was sie können. Gerade im Zusammenhang mit Sprachassistenten ist es essentiell, dem Nutzer den aktuellen Status und Handlungsmöglichkeiten zu vermitteln, da weitere Hinweise wie sie üblicherweise auf einem Bildschirm zu finden sind in der Regel fehlen.

Sowohl Chatbots als auch Sprachassistenten sollten bestätigen, dass sie Eingabe des Nutzers verstanden haben („Okay“, „Verstanden“ etc.) und ähnlich zu Meilensteinen angeben, wo im Prozess man sich befindet. Dies gibt dem Benutzer die Gewissheit, dass er gehört wurde und dass er den Überblick über das Gespräch behält. Dies hilft auch dabei, den Dialog flüssig erscheinen zu lassen.

Zusätzlich ist es wichtig, dem Nutzer mitzuteilen, ob die Konversation zu Ende ist und, falls sie fortdauert, welche weitere Eingaben erlaubt bzw. erforderlich sind. Um die Konversation aufrecht zu erhalten, sollte der Assistent immer auffordernd agieren und zum Beispiel eine klare Frage stellen. Gehen Sie nicht davon aus, dass die Benutzer wissen, was sie tun sollen. Dieser Aufforderungscharakter hilft Nutzern, das Gespräch zu beginnen bzw. fortzuführen. Das Ende sollte ebenfalls mit einer entsprechenden Aussage signalisiert werden.

Sprachassistenten nutzen für den Status der Konversation üblicherweise zusätzlich eine visuelle Rückmeldung und Klänge (sogenannte Earcons). Sprich: Wenn das Gerät leuchtet oder blinkt, erwartet es eine Eingabe. Bei Chatbots bietet es sich an, wesentliche Eingabemöglichkeiten durch Schaltflächen (Quick-Replies) darzustellen. Falls neben Sprach- und Textinteraktion auch anderen Medien möglich sind, kann eine multimodale Interaktion dazu genutzt werden, um die Sichtbarkeit des Systems zu erhöhen.